Der Wunsch meines Herzens

Genre: Fanfiktion

 

»Diese Geschichte ist meine zweite Fanfiktion, die ich je geschrieben habe. Anders als meine Hauptgeschichte Feurige Leidenschaft ist diese kurze Geschichte mit 10 Kapiteln abgeschlossen.
Die letzten zwei Wochen waren für mich echt motivierend, worüber ich dankbar bin, denn die letzten Monate von 2015 (Sep-Dez) steckte ich in einer tiefen Motivationskrise. Jetzt kann ich endlich behaupten aus dieser Krise heraus zu sein und freue mich darüber, dass ich nun so zackig meine kleine Geschichte geschrieben habe. Ich werde mich demnächst wieder mit meinen anderen Geschichten beschäftigen und/oder Fanarts malen. Je nachdem wofür ich gerade mehr Muse habe (und ob meine Hand (k)einen Krampf vom Malen hat).« (Stand: 14.01.2016)

  

Arcus, das Fukano von Louna, steht seiner Trainerin immer bei. Er ist der loyalste Freund, den man sich nur wünschen kann. Doch als er mal wieder mit Louna auf einer Reise ist, um für den Professor eine Lieferung weg zu bringen, überschlagen sich die Ereignisse. Pokémon-Diebe treiben ihr Unwesen und dann taucht auch noch ein kleines mysteriöses Pokémon vor Arcus auf und bringt sein ganzes Leben durcheinander. Nun heißt es sich entscheiden.
»Wie möchtest du dein Leben weiterführen, Arcus?«

 

Hier findet ihr alle Kapitel: Der Wunsch meines Herzens

 

Das Kopieren bzw. Entwenden der Bilder wie auch Texte sind ohne ausdrückliche Erlaubnis von Alexia Drael nicht erlaubt.

 


Prolog

 

Wart ihr schon jemals in einer Situation, in der ihr euch entscheiden musstet und wusstet, dass es kein zurück geben würde? Eine Entscheidung, die komplett euer Leben umkrempelt und alles verändert?
Bis vor Kurzem spielte diese Frage für mich nie eine Rolle. Über solche Dinge dachte ich nie nach, denn mein Leben war immer gut, wie es war. Ich habe nichts, worüber ich mich beklagen könnte. Zumindest dachte ich das mal. Dabei war immer alles ganz einfach. Ich brauchte nie tiefsinnig über etwas nachzudenken, denn alles kam, wie es kommen sollte. Davon mal abgesehen, brauchte ich auch nie wirklich wichtige Entscheidungen zu treffen. Die überließ ich jemand anderem, denn ich war derjenige, der folgte. Immer – und das sehr bereitwillig und vor allem sehr treu. Loyalität bedeutete für mich alles und das Vertrauen war so fest, das es für mich gar keine andere Alternative gab, als ihr zu folgen. Belohnt wurde ich mit Zuneigung und Herzensgüte.
Dafür kämpfte ich, beschützte ich, verteidigte ich.
Der Mittelpunkt meines Lebens war immer sie gewesen. Na gut, vielleicht nicht ganz. Denn am Anfang, als ich auf die Welt kam, war sie noch nicht da gewesen. Meine Mutter war fort, ich war allein und wurde irgendwann aufgeklaubt und mitgenommen, um bei ihr zu landen. Es war für mich kein Problem Vertrauen zu ihr aufzubauen. Es war sogar sehr einfach, weil ich zum einem noch selbst sehr klein und jung war und zum anderen auch noch nicht negativ beeinflusst gewesen war. Wenn man davon absah, dass ich mutterseelenallein in einer kargen Gegend geboren und verlassen worden war. Aber an diese Zeit erinnerte ich mich kaum noch. Es spielte für mich auch keinerlei Rolle mehr, denn ich habe ja sie.
Und sie mich.
Wir sind beide ein perfekt eingespieltes Team und nachdem sie mehr Vertrauen auch in den Kämpfen an sich gewonnen hatte, war es für uns keine Hürde mehr in den Kampf zu ziehen, wenn es denn sein musste. Noch Immer ist sie etwas zurückhaltend, wenn es um Kämpfe ging. Aber sie war selbstbewusster und allein das zählte.
Ihr wollt wissen, was mit mir ist? Na, ich kämpfe! Natürlich will ich gewinnen! Es ist nicht so, dass ich absolut versessen auf Kämpfe bin. Aber ich weiche nicht zurück, wenn es darauf ankommt. Ich gebe mein Bestes, denn ich will, dass sie stolz auf mich ist!
Auch heute noch.
Das eigentliche Problem an der Sache war: Es hat sich vieles verändert. Die Zeit, die wir miteinander verbrachten, prägte natürlich. Sie. Mich. Beide. Wir sind ein Team und mit jedem Schritt, den wir gemeinsam taten, lernten wir uns immer besser kennen. Obwohl wir blind aufeinander vertrauten und uns beide sicher waren, dass wir den jeweils anderen sehr gut kannten, sollte es eines Tages anders kommen. Es begann … ja, mit was eigentlich? Wenn ich so darüber nachdachte, dann war es wohl der Beginn der Eifersucht. Denn je enger wir zusammen wuchsen, desto weniger wollte ich sie mit anderen teilen. Die einzige Ausnahme waren unsere Teamkollegen. Das ging für mich in Ordnung. Ich wusste, ich war für sie die Nummer Eins. Mein Platz war sicher und konnte mir niemand streitig machen. Dachte ich bis zu diesem einen Tag, der dann irgendwie alles ins Rollen brachte …

 

1. Kapitel - Mein bester Freund

  

»Los Arcus, noch einmal Flammenwurf!« Die Stimme schrie laut über den Platz, damit sie auch die Ohren des kämpfenden Pokémon verstehen konnten. Es war kein Problem mehr die Kommandos zu geben und sie auch zu verstehen. Natürlich hatte das alles viel Training erfordert. Nicht nur, dass sie die Angst vor Kämpfe überwunden musste, es war auch eine Frage dessen, wie gut ihre Pokémon sie eigentlich verstanden. Pokémon beherrschten nicht die menschliche Sprache. Man konnte nicht gleich ein Kommando geben und das Pokémon führte es sofort aus. Schön wär’s, wenn’s so einfach wäre! Aber dem war nun mal nicht so. Stattdessen musste man sich viel Zeit nehmen, um den Pokémon begreiflich zu machen, wie es angreifen sollte und vor allem zu welchem Zeitpunkt.
Pokémon konnten extrem brutal sein. Sie konnten ihre Gegner zerfetzen, sie blutend zu Boden werfen, ohne dass der Verletzte sich je wieder davon erholte. Sie konnten auch das jeweils andere Pokémon als Beute betrachten und dann … Tja, dann wollte besser niemand im Kampf mit ansehen, wie das Pokémon des einen Trainers das Pokémon des anderen auffraß. Allein die Vorstellung war gruselig und es waren nur ein paar der Gründe, weshalb Louna sich lange Zeit nicht mit Kämpfen anfreunden konnte.
Man konnte nicht sagen, dass es jetzt viel anders war. Louna brach nicht in Jubel aus, wenn jemand sie herausforderte. Sie war nicht begeistert, wenn sie andere Trainer gegeneinander kämpfen sah, die ihre Pokémon wild aufeinander hetzten, ohne Rücksicht zu nehmen. Aber sie begann auch nicht mehr vor Angst zu zittern oder sich verstecken zu wollen, wenn es hart auf hart kam. Nach wie vor versuchte sie die meisten Kämpfe zu vermeiden, doch sie hatte begriffen, dass diese Welt auf den Kampf ausgelegt war. Es spielte keine Rolle, ob die Kämpfe wegen eines rechtschaffenen Grundes ausgeführt wurden, um beispielsweise eine Verbrecherbande aufzuhalten, oder es nur zum eigenen Vergnügen getan wurde. Kampf war Kampf. Mal schlimmer und heftiger, mal auch etwas harmloser. Aber prinzipiell blieb das Risiko, dass irgendwer dabei verletzt wurde. Die eingesetzten Pokémon, die Trainer selbst sogar, ja selbst das Publikum könnte etwas abbekommen!
Pokémon waren mächtige Wesen mit unglaublichen Fähigkeiten. Wenn eines von ihnen durchdrehte und Randale veranstaltete, konnte so viel schief laufen. So viele könnten dabei verletzt werden. Deswegen war es wichtig, dass Trainer besonders verantwortungsvoll waren. Leider konnte man das nicht von jedem behaupten.

Ein heißer Flammenatem prallte gegen das Nidorino des anderen Trainers und er musste aufgeben. Der Kampf hatte schon eine gute Viertelstunde angedauert, doch nun hatten Arcus und sie endlich die Oberhand gewonnen und Nidorino war am Ende seiner Kräfte. Der Trainer hatte verloren und er war vernünftig genug, um nicht Nidorino noch weiter anzutreiben. Stattdessen rief er seinen Freund zurück in den Pokéball, damit er sich darin ausruhen konnte.
Pokébälle – ein Wunder der Technik! Selbst wenn man Louna die technischen Aspekte erklären würde, wie so ein Ball aufgebaut war, würde sie vermutlich immer noch staunen und wenig begreifen können, wie ein riesengroßes Pokémon in ein so kleines Ding eingeschlossen werden konnte. Die meisten Menschen sahen den Pokéball nicht als Gefängnis an, sondern vielmehr als eine praktische Lösung, um die eigenen Gefährten mit sich zu tragen. Wichtig war jedoch dabei nach wie vor, dass die Pokémon nicht tagelang eingesperrt waren, sondern jeden Tag heraus durften, ihren Freilauf hatten und natürlich auch gefüttert wurden.
Arcus war immer draußen. Er war Lounas erstes Pokémon gewesen. Sie hat ihn groß gezogen und liebte ihn abgöttisch. Ihr Herz hing an ihm und sie könnte sich gar nicht vorstellen, dass er nicht an ihrer Seite war. Arcus war so treu und anhänglich, dass man ihn einfach lieben musste.
»Oh wow, ich hatte keine Chance, das gibt’s doch nicht!« Der Trainer, der gegen sie gekämpft hatte, war einige Jahre jünger. Nidoran war sein eigenes erstes Pokémon gewesen und erst vorgestern hatte es sich zu einem Nidorino weiterentwickelt. Paul, so hieß der Trainer, hatte Louna nur zufällig hier auf dem Menhir-Weg getroffen. Sie wollte nach Cromlexia. Der Professor hatte sie mal wieder gebeten eine Lieferung zu bringen, so dass sie nun in der westlichen Gegend von Kalos unterwegs war. Mittlerweile hatte sich Louna an die Reisen gewöhnt. Tatsächlich mochte sie es auch zu Fuß unterwegs zu sein, weil sie dadurch so viel mehr sehen konnte. Besonders, wenn sie wieder wilde Pokémon in ihrer natürlichen Umgebung beobachten wollte.
»Du warst gar nicht so schlecht, aber ich muss dir auch danken, Paul«, antwortete Louna und lächelte den Jüngeren an, der vor ihr stand. Sie reichte ihm freundschaftlich die Hand. Verdutzt sah Paul sie an, ehe er sie annahm.
»Danken, wofür?«, wollte er wissen.
»Dafür, dass du Arcus nicht vergiftet hast!« Louna grinste über das ganze Gesicht. Pauls Wangen liefen leicht rot an und er kratzte sich verlegen am Hinterkopf.
»Äh ja, keine Ursache.« Louna freute sich und die beiden verabschiedeten sich von einander und gingen ihren eigenen Weg. Paul wollte, wie viele andere Jugendliche auch, zu einem Weltbesten Pokémon-Trainer werden. Deshalb trainierte er auch fleißig, damit er schon bald seinen ersten Arenaorden gewinnen konnte. Louna, die daran kein Interesse besaß, trainierte ihre Pokémon trotzdem. Dash, ein guter Freund von ihr, hatte Recht damit, dass es besser war, wenn man die eigenen Pokémon trainierte. Es ging nicht einmal darum selbst der Stärkste zu sein, sondern darum, sich verteidigen zu können. Nicht nur gegen andere Trainer, sondern auch gegen wild lebende Pokémon. Nicht alles war so friedlich, wie der Anschein es gerne einem vormachte.
Dass Louna sich bei Paul bedankt hatte, besaß auch einen wichtigen Grund. Vergiftung war einer der schlimmsten Zustände, die einem Pokémon (oder sogar einem Menschen) passieren konnte. Wenn man kein Gegenmittel parat hatte, konnte das durchaus tödlich enden. Deswegen hatte Louna insgeheim schon Bammel gehabt, als Paul sein Nidorino heraus geholt hatte. Aber alles war gut gegangen. Arcus ging es weitestgehend gut. Eine Vergiftung hat er nicht erleiden müssen.
Jetzt, wo sie wieder allein waren, hockte sich Louna zu Boden. Dabei fielen ihre offenen braunen Haare nach vorn, so dass sie ganz automatisch mit einer Handbewegung sie wieder hinter die Ohren schob. Langes Haar war schön, konnte aber auch echt nervig sein. Ihren Hut hatte sie heute nicht auf. Es war dafür einfach zu warm, weshalb sie auch das kurze Kleid trug, das bis knapp über die Knie reichte und in einem sommerrosa eingefärbt war, dazu ein filigranes dezentes Blumenmuster auf dem Stoff.
Louna streckte die Hände nach Arcus aus und strich durch sein blondes Kopffell. Sofort schloss er die Augen genießerisch, gab einen brummenden Laut der Zufriedenheit von sich und wackelte noch heftiger mit der Rute. Sein Kopf neigte sich ganz automatisch gegen ihre Hände. Doch es war nicht die Zuneigung, die Louna Arcus jetzt zukommen lassen wollte, weswegen sie sich ihm zuwandte. Nach jedem Kampf untersuchte sie ihre Pokémon ganz genau. Wie viel hatten sie abbekommen? Wie schlimm waren die Kratzer wirklich? Waren es Verletzungen, die nötig waren im Pokémon-Center behandelt werden zu lassen? Genau deswegen strich auch Louna über Arcus dunkelrotes Fell mit den vielen schwarzen Streifen. Sie untersuchte ihn, ob sie schlimmere Verletzungen finden konnte, doch bis auf ein paar Kratzer schien es nichts Ernsthaftes zu sein. Zumal Arcus sich so sehr dem Streicheln hingab, dass er anscheinend tatsächlich nicht beeinträchtigt wurde von Schmerz oder allgemein den oberflächlichen Verletzungen.
»Na, dir scheint es gut zu gehen.« Vergnügt lächelte Louna und sah dabei zu, wie sich Arcus vor ihren Füßen auf den Boden hinlegte und nur noch mehr nach Zuwendung bettelte und diese auch bekam und genoss.
»Du bist so ein Schmusemauzi!«, lachte Louna. Mal ehrlich, wäre Arcus als Mauzi auf die Welt gekommen, würde er vermutlich die ganze Zeit ihr die Ohren voll schnurren.
Nachdem sie ihn untersucht hatte und ihm auch ausführlich verwöhnt hatte, erhob sich Louna wieder. Es wurde Zeit weiter zu gehen. Noch war der Tag jung genug, so dass sie einige Kilometer weit laufen konnten. Doch trotz, dass sie bereits auch schon einiges gestern an Strecke zurückgelegt hatten, konnte sie noch immer bis hier hin den salzigen Duft des Meeres riechen.
Arcus war nicht so begeistert von den Wassermassen gewesen, weswegen er auch nur sehr ungern am Strand von Relievera City mit Louna entlang spaziert war. Ein Feuer-Pokémon mochte nun mal einfach kein Wasser, egal ob salzig oder süß. Louna hingegen hatte es gefallen. Der Blick hinaus aufs Meer war einfach atemberaubend. Besonders wenn die Sonne dabei unterging. So einen Anblick hatten sie hier nun nicht mehr. Stattdessen gab es auf dieser Route viele Bäume und vor allem saftige Wiesen mit hohem Gras. Das beeindruckendste waren allerdings die Steinformationen, die hier überall verteilt worden waren. Louna kannte dazu die Geschichte nicht. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass die Felsen durch einen natürlichen Ursprung in dieser Gegend entstanden waren. Doch welchen Zweck sie womöglich für eine menschliche Kultur erfüllt hatten, war ihr genauso ein Rätsel.
Mit ihrem Fukano an ihrer Seite ging sie bereits weiter. Einen Weg direkt unter ihren Füßen gab es auch nicht mehr. Sie mussten durch die weiten Wiesenfelder oder auch teilweise durch bewaldetes Gebiet, damit sie Cromlexia irgendwann erreichten. Louna glaubte nicht, dass sie heute noch ankommen würden. Dafür war der Weg zu weit. Aber das störte sie nicht. Sie ging gern gemütlich, vor allem wenn sie die Chance hatte wilde Pokémon zu beobachten.
»Ich glaube, Soul hatte mal erwähnt, dass es in diesem Gebiet Evolis geben soll.« Für Louna war das auf jeden Fall interessant, da sie selbst eines hatte. Zwar kein wildgefangenes Evoli, aber sie hatte damals von ihrer Nachbarin in Illumina City ein junges Evoli bekommen. Grund war der, dass das Psiana-Paar, welches ihre Nachbarin besaß, Junge zur Welt gebracht hatte. Die Evolis waren sehr goldig gewesen und obwohl Louna damals eher zurückhaltend und skeptisch gewesen war, war sie insgeheim auch sehr froh darüber, dass sie nun Chiari hatte. Sie mochte die Kleine nach wie vor, weil sie so drollig war.
Arcus gab einen Laut von sich. Zuerst dachte Louna tatsächlich, dass er auf ihre Gedankengänge eingehen wollte, aber daran lag es wohl kaum. Arcus hatte etwas entdeckt und war schon einige Schritte weiter voraus geeilt. Louna folgte ihm und fand sich kurz darauf hinter einem Busch hocken, über den sie hinweg sah. Arcus Aufmerksamkeit entging nichts! Vielleicht hatte er doch ihre Gedanken gelesen und hatte sie nun einfach darauf aufmerksam machen wollen, dass sie näher am Ziel ihrer Begierde war, als ihr selbst aufgefallen war? Was es auch war, Louna konnte sich sehr glücklich schätzen als sie das spielende Evoli-Pärchen entdeckte, das nur einige Meter weiter entfernt über eine kleine Lichtung tollte. Die beiden Pokémon schienen wenig auf ihre Umgebung zu achten und fühlten sich demnach sicher. Das gab Louna die Gelegenheit diese einmalige Pokémon in freier Wildbahn zu beobachten. Sofort schlug ihr Herz höher. Einmal vor Aufregung, aber auch weil der Anblick sehr entzückend war. Evolis waren selten. Anscheinend gab es nur hier in Kalos wirklich frei lebende Exemplare. Dash hatte ihr jedenfalls erzählt, dass es in Kanto, wo er ursprünglich herkam, diese nicht gab. Nur durch Zuchten wurden sie in Kanto verbreitet. Auch in Johto oder Einall hatte er nichts von wilden Evolis gehört. Obwohl diese Pokémonart extrem anpassungsfähig und wandelbar waren, schienen sie auf der roten Liste zu stehen.
Natürlich hatte sich Louna intensiver damit auseinander gesetzt, nachdem sie Chiari bekommen hatte. Sie hatte zuerst einmal nur sich darüber informieren wollen in welche Formen sich Evolis entwickeln konnten. Als sie aber von diesen etlichen Möglichkeiten etwas erfahren hatte, war es für sie kaum zu glauben gewesen, dass Evolis kaum in der feien Wildbahn vorhanden sein sollten. Das eine hatte zum anderen geführt und so hatte sie schlussendlich vom Professor, aus Büchern und durch Erzählungen anderer davon erfahren, dass in den vergangenen Jahrhunderten Evolis unter den Mensch immer sehr beliebt gewesen waren. So sehr, dass sie regelrecht gejagt wurden und im Freien fast ausgestorben waren. Evolis waren nicht nur sehr süß und zauberhaft für die meisten, sondern auch wahre Exoten. Sie konnten sich zu zahlreichen Formen weiter entwickeln, immer abhängig davon, welchen Einflüssen sie erlegen waren. Es gab verschiedene Steine, die eine seltsame Wirkung auf Pokémon ausübten. Einige von ihnen sorgten dafür, dass sich die Evolis auch weiter entwickelten. Selbst die Tages- oder Nachtzeit schien eine bedeutende Rolle zu spielen! Louna fand das alles sehr faszinierend. Wären Evoli viel weiter verbreitet, würde man vermutlich auch in der freien Wildbahn manche Entwicklungen davon entdecken können. Doch da diese Art nur so selten vorkam, war es beinahe ausgeschlossen auf wilde Entwicklungen zu treffen. Wenn man das genau betrachtete, war das sehr schade. Evolis waren so anpassungsfähig, sie könnten über der ganzen Welt weit verbreitet sein! Bevor Louna sich noch mehr in ihren Gedankengängen verstricken konnte, holte sie ihre kleine Kamera aus ihrer Tasche hervor und machte ein paar Fotos von dem spielenden Paar auf der Lichtung vor ihr. Ohne Blitz. Sie wollte nicht, dass die Pokémon dadurch aufmerksam auf sie wurden und möglicherweise die Flucht ergriffen.
Es war herrlich mit anzusehen, wie gelassen sie waren und wie viel Spaß sie auch hatten. Das linke Evoli, was nur wenige Zentimeter größer als das andere war, sprang das Kleinere an und zusammen rollten sie über die Wiese. Das Kleinere kam dadurch am Boden und unter dem Größeren zum Liegen, doch das ließ es sich nicht gefallen. Es fiepste auf, drückte das andere weg und rannte weiter. Sofort setzte das zweite Evoli zur Verfolgung an und die beiden liefen in einem großen Kreis über die Lichtung. Louna grinste. Wenn sie solche Beobachtungen machen durfte, dann war es ihr egal, wann sie ihr eigentliches Ziel erreichte. Die Lieferung konnte warten! Der Professor hatte Verständnis dafür, das wusste sie. Schließlich würde er sich solch eine seltene Gelegenheit der Beobachtung auch nicht durch die Lappen gehen lassen wollen. Louna überlegte bereits, ob sie ihr eigenes Evoli aus dem Pokéball holen sollte. Arcus saß neben ihr und war ganz still. Aber auch ihm konnte sie ansehen, wie er gern den anderen Pokémon näher kommen wollte. Sollte sie also Chiari heraus holen? Kontakt zu wilden Evolis – das könnte sehr interessant werden, nicht? Louna entschied sich dafür. Sie brüllte nicht laut herum wie es andere Trainer gerne taten, sondern entließ Chiari leise aus ihrem Ball.
Goldig war es immer noch anzusehen. Mit den großen schwarzen Kulleraugen und dem Halsband, was es dazu auswies einem Trainer zu gehören.
»Schau mal, Chiari.« Sie deutete hinter dem Busch zu den anderen Evolis auf der Lichtung. Damit Chiari sie auch wirklich sah und die Aufmerksamkeit auf jene lenkte, nahm sie die Kleine in die Hände und hielt sie ein wenig höher. Die Gefahr war dabei gegeben, dass die wilden Evolis sie sahen, aber die waren immer noch so sehr in ihrem Spiel vertieft, dass sie nicht bemerkten, dass sie beobachtet wurden. Als Chiari die anderen Evolis auch entdeckte, wackelte sie aufgeregt mit den Beinchen und gab ein sehnsuchtsvolles Fiepen von sich. Louna setzte sie wieder auf den Boden ab und es dauerte keine Minute länger, da lief bereits Chiari los, um sich neugierig den anderen Evolis zu nähern. Dabei war Chiari am Ende doch zurückhaltend und vorsichtig. Sie sprang die anderen Evolis nicht an, sondern hielt sich eher geduckt und streckte den Kopf nach vorne, um mit der Nase Witterung aufzunehmen. Konnte sie sich den anderen beiden so einfach nähern? Die beiden wilden Evolis wurden nun aufmerksam auf das neu dazugekommene Evoli und sahen es ebenfalls neugierig, aber zurückhaltend an. Ein Konkurrent? Ein Evoli aus einem anderen Rudel? Louna war verzückt davon zu beobachten, wie vorsichtig die drei Pokémon sich beäugten, beschnüffelten und langsam sich kennen lernten. Sie nahmen sich Zeit, um die Situation richtig einzuschätzen, zu überprüfen, ob man dem jeweils anderen vertrauen konnte.
Nachdem der erste Moment überwunden war, beugte sich Chiari ein wenig nach unten. Sie fiepste und forderte die beiden anderen Evolis dazu auf mit ihr zu spielen. Dabei machte sie ruckartige Bewegungen, bei denen sie immer wieder stehen blieb, abwartete und wieder aufforderte. Louna beobachtete das weiter und legte eine Hand auf Arcus Nacken. Sie wusste, dass ihr Fukano am liebsten los preschen wollte, aber er blieb trotzdem brav neben ihr sitzen. Er war so gut erzogen, dass sie kaum glauben mochte, dass es ihr Verdienst war. Ihre goldbraunen Augen huschten zurück zu den Evolis, die mittlerweile damit begonnen hatten gemeinsam über die Lichtung zu laufen. Noch war alles mit einer unterschwelligen Vorsicht. Sie sprangen sich nicht gegenseitig an und rollten über die Lichtung, aber sie freundeten sich schon an. Den Eindruck hatte Louna, die glücklich dem Schauspiel zu sah. Sie wollte es nicht unterbrechen, indem sie aus ihrer Deckung wieder hervor kam. Deswegen hockte sie noch immer hinter dem Busch. Doch ewig würde sie das nicht können. Besonders dann nicht, als sie sah wie die Evolis sich immer mehr von ihr entfernten. Das Herumtollen war schön und gut, aber Chiari sollte auch nicht weg laufen. Als hätte es gereicht nur daran zu denken, musste Louna mit ansehen, wie Chiari und die beiden anderen Evolis zwischen den Büschen auf der anderen Seite der Lichtung verschwanden.
»Oh nein!« Musste sie sich jetzt Sorgen machen? Eigentlich schon! Louna erhob sich, kam aus ihrer Deckung und lief augenblicklich über die Lichtung. Arcus war dabei natürlich die ganze Zeit an ihrer Seite. Bevor sie jedoch die andere Seite erreichen konnte, tauchte ein Pokémon wieder auf. Was hieß »wieder«? Es war kein Evoli! Oder doch? Louna blinzelte verwirrt. Gab es hier Donnersteine, die zu einer Entwicklung führten und … ?
»Ah!« Wenn sich nun ihr Evoli plötzlich weiter entwickelt hat! Sie hatte es nicht vorgehabt, es so schnell dazu kommen zu lassen. Der Schreck saß tief, doch sie sollte sich selbst für den Panikausbruch schelten. Denn beim genaueren Hinsehen gab es kein Halsband, welches Chiari getragen hatte. Im Gegenteil! Es war ein Halstuch!
»Moment mal!« Wie doof war sie eigentlich? Sie hockte sich zu Boden und betrachtete sich das aufgetauchte Pokémon genauer. Es hatte dunkelblondes Fell, das je nach elektrischer Ladung auch ordentlich in alle Richtungen abstehen konnte. Momentan lag es glatt am schlanken kräftigen Körper an. Man sah deutlich die Ähnlichkeit zu einem Evoli, aber ein Blitza war nun mal die Weiterentwicklung und daher auch um einiges größer. Nur woher kam dieses Pokémon? Zielstrebig und ohne scheu kam das Blitza auf sie zu. Es gab eine Art Schnurren von sich. Die schwarzen Augen blickten sie vertraut an und Louna runzelte die Stirn. Konnte es sein, dass sie es kannte?
»Du kommst mir schon bekannt vor, aber … ach du Sch … ! Raku!« Sie hatte heute wirklich eine lange Leitung, nicht wahr? Auf dem Namen »Raku!« reagierte das Pokémon sofort, stellte die langen Ohren auf und blickte sie erwartungsvoll an. Natürlich war das hier Raku! Dash hatte seinem Blitza dieses blau-schwarz karierte Halstuch umgebunden.
»Meine Güte, woher kommst du denn auf einmal? Und ist Dash auch in der Nähe?« Louna sah auf und sich um. Das sie eigentlich Chiari hinterher laufen wollte, damit diese ihr nicht davon lief, schien sie für diesen Augenblick vergessen zu haben. Nur von Dash war gerade auch nichts zu sehen, oder?
»Bist du etwa allein hier?«, fragte sie Raku, obwohl sie wusste, dass Pokémon nicht auf ihre Worte antworten konnten. Was macht sie denn jetzt nur?

 

(Fortsetzung folgt, siehe oben)