Der Angriff

Genre: Fantasy

 

»Kennt ihr das? Wenn ihr einfach mal so in euren alten Akten, Ordnern oder sonst wo nachschaut, um zu gucken, was ihr so geschrieben habt in der Vergangenheit? Ich habe vorhin in meinen Texten rein geschaut und das erste Dokument, was ich geöffnet hatte, war dieser Beginn einer Geschichte. Ich erinnere mich, ihn geschrieben zu haben, um eine neue Idee für Lupus et Lupa auf's Papier zu bringen. Ein neuer Teil, der geboren wurde. Tatsächlich wurde diese Grundidee auch umgesetzt, wenn auch mit anderen Namen und teilweise anderem Ablauf. Aber es war so ähnlich. Dennoch bin ich ganz verstört (im positiven Sinne) diese Geschichte einst geschrieben zu haben (nämlich September 2010!) und war wie gefesselt beim Lesen. Es ist blöd das eigne Werk zu loben, will ich auch gar nicht. Aber die paar Zeilen bringen so manche Idee und Emotion wieder in mir hoch. Lust, um die Geschichte richtig niederzuschreiben, damit es auch andere lesen können. Ein viel zu großes Unterfangen, da es enorm viel Zeit in Anspruch nehmen würde, da diese Geschichte sehr umfangreich ist. Vorerst konzentriere ich mich auf meine 1. FF (Feurige Leidenschaft), so dass Lupus et Lupa hinten ansteht. Aber es hat Spaß gemacht wieder zu entdecken und zu lesen. Vielleicht buddle ich noch andere Werke aus der Vergangenheit aus.«

 

Viel Spaß beim Lesen!

Alexia Drael

 

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Der Angriff

 

Kalt blies der Wind in mein Gesicht. Es war Herbst, die Blätter schon lange bunt gefärbt. Von gelb-braun bis rot-orange. Es war eine farbenfrohe Pracht, aber ich konnte mich nicht freuen. Schnell lief ich durch die Straßen der Stadt. Die Nacht war fast eingebrochen und ich wusste, dass ich nicht mehr viel Zeit hatte. Mein Magen zog sich hektisch und voller Angst zusammen, ich musste schneller sein! Schneller, schneller, rief ich mir auch in Gedanken zu. Wenn ich zu spät kommen würde, wäre alles verloren, alles vorbei. Mein Atem ging ungleichmäßig schnell, mein Herz pochte wie wahnsinnig und ich hatte das Gefühl, es müsste gleich zerspringen vor Anstrengung. Meine Gedanken rasten herum. Was ist, wenn ich es nicht schaffte? Ich wollte nicht darüber nachdenken, nein! Besser ich konzentrierte mich auf meinen Weg und auf mein Ziel. Die Straßen waren nicht mehr so stark belebt, lagen sogar recht ruhig da, was eigentlich unnormal war. Aber wahrscheinlich war es den meisten zu dieser Zeit schon zu kalt, als das sie jetzt noch draußen herum laufen wollten. Und ich hatte bare Füße. Schuhe besaß ich keine mehr, die letzten waren kaputt und als Kind der Straße konnte man sich nicht mal eben ein paar neue Schuhe besorgen. Doch, konnte man, aber nur indem man stahl. Jezebel wollte nicht, dass ich stahl. Als sie einmal es herausgefunden hatte, hat sie mich ermahnt und ich war beleidigt gewesen. Immerhin war sie die Tochter des reichen Elternhauses einer adligen Familie und ich war nur der arme Straßenjunge, mit dem sie sich ungewöhnlicher Weise abgab. Sie hatte mich sanft angesehen, als sie gesehen hatte, dass ich gekränkt war. Sie hat es nicht böse gemeint. Natürlich nicht. Das wusste ich, denn sie war viel zu lieb, zu rein, sie könnte nie jemanden etwas Böses antun wollen!  Ihre so schönen blauen Augen faszinierten mich immer wieder neu. Ja, ich war hoffnungslos in sie verfallen. Aber zwischen uns war nur Freundschaft, denn mehr konnte zwischen einer Adligen und einem armen Bauernsohn, der nun nur noch auf der Straße lebte, nicht sein. Es war eh schon ein Vergehen, dass sie mit mir herum hing. Ihre Zofen hatten sie oft ermahnt und auch ihre Eltern, aber sie kam nicht umhin, sich von mir „entführen“ zu lassen. Oft kam ich auch nach dem Sonnenuntergang zu ihr und wir schlichen gemeinsam weg, um große Abenteuer zu erleben. Okay, zugegebener Maßen waren unsere sogenannten großen Abenteuer Erkundungen im Wald oder ähnliches. Eigentlich harmlose Sachen, aber es machte unglaublich viel Spaß. Ich mochte sie zu sehr, deswegen rannte ich auch jetzt, als wäre der Teufel persönlich hinter mir her.

 

Vielleicht war er sogar das schon? 

 

Mein blondes Haar wehte im kalten Wind und meine Bernsteinfarbende Augen versuchten in der aufkommenden Dunkelheit den Weg besser zu sehen. Vergeblich, denn ich war nur ein Junge, ein Mensch, von knapp fünfzehn Jahren, der keine besonderen Fähigkeiten aufwies. Nur die Ungewöhnlichkeit der Augen, die ich besaß. Die Farbe. Jezebel hatte einmal gesagt, sie würden wie goldene Sonnen strahlen. Vielleicht taten sie das ja? Denn wenn ich sie ansah, dann freute ich mich, ein warmes Gefühl umgab mich und ich war froh, aber auch überrascht darüber, dass Jezebel mich als einen Freund ansah und wir trotz der Umstände eine Menge Spaß miteinander hatten. Ich wollte es nicht missen, daher drängte ich mich noch mehr zur Eile. 

Beinahe wäre ich von einer Kutsche überfahren wurden, als ich aus der Seitengasse heraus gestürmt kam. Die schwarzen Pferde wieherten verschreckt auf und der Kutscher hatte zu tun, sie nicht ausbrechen zu lassen, rief mir aber noch wütende Worte hinterher, die ich schon gar nicht mehr mitbekam. Die alten Häuser rahmten den Weg vor mir ein. Sie waren für mich nur wie vorbei huschende Schatten, die sich nicht bewegten, weil ich es ja tat. Ich musste bei der nächsten Abbiegung nach links und schon war ich um die Ecke gebogen und wäre dann auch gleich fast in zwei betrunkenen Männern hinein gerannt, die schwankend mir auswichen und irgendetwas vor sich hin lallten. Wahrscheinlich waren sie gerade aus der Taverne zum Kupferadler gekommen. Dort schien noch deutlich das Licht und Stimmengewirr war zu hören. Auch darauf achtete ich nicht und rannte wie wild weiter. Meine Lungen fühlten sich an, als würden sie gleich platzen, aber ich konnte mir keine Pause gönnen. Wenn all diese Menschen wüssten, was ihnen bevor stand, dann würden sie nicht gelassen bleiben, dann würden sie auch rennen. Doch ich werde sie nicht warnen. Warum? Sie gaben mir nichts außer Verachtung, Hohn und harte Fußtritte. Ich hatte zu all jenen keine Beziehung. Nur zu Jezebel, die die einzige war, der ich etwas bedeutete. Sei es auch nicht viel, war es trotzdem mehr als bei allen anderen. Ich rannte noch etwa fünf Minuten durch die Stadt Lémare bis ich endlich das Anwesen erkannte, wie es sich aus dem dunklen Schatten heraus schälte und da thronte, als wäre es eine Festung, die man nicht stürmen konnte. Es war von einem großen Garten umgeben, der wiederum von einer hohen Mauer eingeschlossen wurde. Über diese musste ich klettern und nahm dafür eben jene Stelle, die ich sonst auch nahm. An einer Seite der Mauer stand ein Baum, so nahe, dass seine Äste über den Stein ragten. Um dort hinauf zu kommen, kletterte ich an den Ranken empor, die jetzt zu dieser Jahreszeit ihre Blätter verloren und weniger stabil erschienen. Dennoch schaffte ich es drüber zu kommen, musste nur aufpassen, dass die Wachen des Anwesens mich nicht bemerkten. Auf der anderen Seite angekommen, huschte ich von Busch zu Busch, von Baum zu Baum und nahm jede Deckung für mich, die ich nutzen konnte, um ungesehen an die Fassade des großen Gebäudes zu kommen. Dort sah ich hinauf. Es würde mal wieder eine anstrengende Prozedur sein dort hinauf zu kommen, aber darin hatte ich auch Übung und so verschwendete ich vielleicht maximal zehn kostbare Minuten, bis ich auf dem Balkon ankam, der in das Zimmer von Jezebel, meiner besten Freundin, führte. Die Fenster waren geschlossen, es brannte kein Licht. Ich weiß, dass an diesem Tag irgendein wichtiges Ereignis in ihrer Familie stattgefunden hatte, das anstrengend gewesen war. Sie hatte mir das im Voraus schon erklärt, weswegen ich gar nicht heute kommen sollte. Und trotzdem klopfte ich in diesem Moment an das Fenster, ja ich hämmerte mit meiner Faust regelrecht dagegen. So laut, dass es eigentlich jeder andere, der in der Nähe war, hören musste. Ich durfte nicht länger warten, nicht länger zögern! Verschlafen kam Jezebel tatsächlich ans Fenster, wurde aber schlagartig munter, als sie mich sah und öffnete die Tür des Fensters.

„Kayon!“, rief sie dann überrascht und starrte mich noch weiter an. „Was machst du hier? Du solltest doch gar nicht … “ Ich hörte ihre Aufregung heraus. Sie machte sich Sorgen um mich, dass ich erwischt werden konnte, aber ich unterbrach sie, in dem ich ihr Handgelenk packte.

„Jezebel, komm mit, jetzt, wir müssen weg!“, sagte ich aufgeregt, aber sie verstand nicht. Wie könnte sie auch? Sie wusste nicht, was ich wusste, aber ich wollte jetzt nicht alles erklären, das würde zu lange dauern. Ich wollte, dass sie mitkam, mir vertraute, aber sie zögerte, war verwirrt und sträubte sich. Erst jetzt bekam ich mit, dass sie ein weißes Nachthemd trug, dass bis zu ihren Knöcheln reichte. Es war sittlich, wie es nun mal in diesem Jahrhundert üblich war, trotzdem färbten sich meine Wangen etwas rot. Ich hatte sie so noch nicht gesehen. Ihr braunes Haar fiel ihr in sanften Locken über die Schultern und in meinen Augen war sie schön wie ein Engel. Ein Engel, den ich beschützen wollte und deswegen weiter an ihr zog, damit sie mir folgte.

„Bitte Jezebel, vertrau mir und komm … “, setzte ich wieder an, aber sie war immer noch unsicher, Verständnislosigkeit spiegelte sich in ihrem Gesicht. Dann wurde plötzlich die Türe aufgerissen. Wir beide zuckten zusammen und sahen zu der Zofe, die herein gestürmt kam.

„Verehrtes Fräulein Jezebel, Sie müssen sofort mitko... “ Der Zofe blieben die Worte im Halse stecken als sie mich sah und dann schrie sie laut auf.

„Kayon, du musst gehen, schnell!“, sagte Jezebel besorgt und aufgeregt.

„Nicht ohne dich!“, erwiderte ich.

„Fräulein Jezebel, schnell, schnell!“, kam eine zweite Zofe dazu. „Die Stadt wird angegriffen, Ihr Vater will…“ Auch dieser stockte der Atem, als sie herein kam und mich sah. Jezebel achtete nicht darauf, sondern sah mich mit großen Augen an. „Angegriffen?“ Ich nickte heftig mit dem Kopf.

„Ja doch, schnell komm, wir müssen weg!“ Diesmal zögerte sie keine Sekunde lang und wir stürmten aus dem Zimmer. Ausnahmsweise die Türe nutzend. Im ganzen Haus war Unruhe ausgebrochen und die Angestellten liefen hektisch durcheinander. Ich konnte die Panik verstehen, denn das, was uns alle angreifen würde, war zu entsetzlich. Ich zog Jezebel durch das Haus entlang, ich kannte den Weg, hatte mich schon einmal hier rein geschlichen und mein Gedächtnis war gut genug. Obwohl Jezebel genauso barfuß war wie ich und nur im Nachthemd gekleidet war, zögerte sie auch nicht mit mir den Ausgang ins Freie zu nutzen. 

„Aber Fräulein Jezebel!“, rief jemand uns hinterher, oder eher ihr. Jezebel achtete nicht darauf und rannte mit mir, wir wollten auf niemanden achtgeben, auf niemanden warten. Sie vertraute mir und ich war unglaublich glücklich über dieses Gefühl, das mich mit der Wärme erfüllte. Trotzdem wurde es von der Sorge und Angst überschattet. Als wir beim Tor ankamen und dieses durchlaufen wollten, blieb Jezebel stehen. Sie zögerte doch. 

„Aber ich kann doch nicht … “, murmelte sie. Irgendwie schien da doch ihre Treue durchzukommen. Ich wusste, dass das Verhältnis zwischen ihr und ihren Eltern nicht besonders gut war. Eigentlich sehr abgekühlt. Sie hatte nie so etwas wie elterliche Liebe spüren dürfen und wurde nur dazu erzogen brav und freundlich zu sein und ihren Pflichten nachzukommen. Ich hasste es, was sie mit ihr machten, dass sie sich nicht richtig um sie kümmerten. Meine Eltern waren tot, aber das, was ich noch von ihnen wusste, war, dass sie mich geliebt hatten. Ich wünschte mir für Jezebel, dass es ihr genauso ergangen wäre, dass sie auch Eltern besaß, die sie liebten. Doch die Tatsache, dass dem nicht so war, sollte vielleicht eine Erleichterung sein. Wir könnten so einfacher fliehen ohne auf jemanden achten zu müssen. 

„Jezebel bitte … komm … wir dürfen nicht länger warten!“, sagte ich und sie ließ sich weiter von mir mitziehen. Ich konnte in ihren Augen das schlechte Gewissen lesen, aber sie drehte sich kein einziges Mal mehr um. Als wir das Anwesen komplett hinter uns ließen, war die Sonne endgültig verschwunden, die Angreifer hatten die Stadt erreicht und wir hörten panische und angsterfüllte Schreie, die uns beide kalte Schauer über den Rücken jagen ließen. Wir sahen auch schon die ersten heißen Flammen eines ausgebrochenen Feuers. Es würde sich schnell ausbreiten, wenn es nicht gelöscht werden würde, aber wer würde sich schon drum kümmern!? Keiner würde daran einen Gedanken verschwenden, denn jeder würde versuchen zu entkommen und die Stadtwache würde versuchen etwas gegen die Feinde zu unternehmen. Ich zögerte nicht länger und zog Jezebel hinter mir her, rannte die Straßen entlang und versuchte den schnellsten Weg zum Wald zu nehmen. Ich glaubte, dass wir dort sicher sein würden. Jezebel zitterte wegen der Kälte. Sie war schließlich nur im Nachthemd begleitet. Außerdem strauchelte sie mehrere Male und einmal fiel sie wirklich hin. Ich half ihr wieder auf und gemeinsam liefen wir so schnell es nur ging. Ich ignorierte dabei, dass ich in einen spitzen Stein lief und mein Fuß aufschmerzte und blutete.  Wir durften uns einfach keine Verzögerung leisten!

 

Als der Wald vor uns als Schatten und Schemen auftauchte, glaubte ich, wir hätten es fast geschafft. Die Betonung lag hierbei auf fast, denn plötzlich preschten mehrere Männer herbei und wollten uns angreifen. Sie waren wie Räuber oder Barbaren gekleidet, in unterschiedlichste Felle eingehüllt und wirkten wild und unbarmherzig. In ihren Augen loderte etwas, was ich nicht begreifen konnte. War es Wut oder Hass oder einfach nur die Lust darauf zu morden? Jezebel war automatisch hinter mir und gab einen erstickten Schluchzer von sich. Mittlerweile liefen ihr Tränen der Angst über die zarten Wangen. Ich stand vor ihr, wollte sie, wenn nötig, mit meinem eigenen Leib schützen, aber ich hatte nicht viel Hoffnung darauf, dass es viel nützen würde. Ein glücklicher Umstand ließ zu, dass ein paar Stadtwachen in der Nähe waren und sich ganz automatisch auf die Feinde stürzten. Das war unsere Chance! Wir liefen hektisch zum Wald hin und verschwanden darin. Es war unheimlich, erst recht, wenn wir so eine fürchterliche Geräuschkulisse hörten. Wir hörten jemanden vor Schmerz schreien, wahrscheinlich starb dort gerade jemand. Das Prasseln der Flammen war laut, aber nicht laut genug, um weitere Schmerzensschreie untergehen zu lassen. Ich versuchte nicht hinzuhören und wollte nur weiter mit Jezebel durch den Wald laufen, um den Peinigern zu entkommen. Hoffentlich folgte uns niemand, aber natürlich blieb das Gebet unerhört, was ich daran merkte, dass es verdächtig hinter uns im Unterholz knackte. Oder war es etwa von der Seite gekommen? Automatisch waren wir stehen geblieben, was das dümmste überhaupt war. Wir sollten weiter rennen, um noch mehr Abstand zu bekommen, aber wir waren wie gelähmt. Ich sah mich zu jeder Seite um, lauschte und wollte aufmerksam sein, aber da es so schrecklich dunkel war, trotz des Vollmondes, der zwischen den Blättern hindurch schien, konnte ich nur undeutliche Schemen erkennen. Jezebel klammerte sich an meinen rechten Arm. Ihre Zähne klapperten heftig aufeinander. Wahrscheinlich wegen der Angst und der Kälte. Ich wollte sie so gern beruhigen, bekam aber keinen Mucks von mir, weil ich selbst fruchtbare Angst hatte. Ich besaß keine Waffe und körperlich war ich auch nicht besonders stark. Ich könnte es niemals mit einem ausgewachsenen Mann aufnehmen. Statt einem Mann sprang jedoch ein beinahe schon riesiges Ungetüm aus dem Dickicht und griff uns an. Ich konnte gerade noch so Jezebel von mir zurückstoßen, dass sie selbst zu Boden ging, aber dafür nicht angegriffen wurde. Jedoch gruben sich spitze scharfe Zähne in mein Bein und ich schrie vor Schmerz und Panik auf, verlor das Gleichgewicht und ging zu Boden. Da ich nicht sterben wollte, versuchte ich nach dem Ungetüm zu treten, dass einen dichten Pelz trug. Gelbe hasserfüllte Augen leuchteten auf und sie machten mir nur noch mehr Angst. Erst recht, als ich erkannte, dass es sich um einen sehr großen Wolf handelte. Bepackt mit unzähligen kräftigen Muskeln, die sich unter dem dunkelbraunen Fell, das fast schwarz wirkte, abbildeten. Es war grausam dieses Bild und ich wurde schlagartig von Hoffnungslosigkeit übermannt. Wie sollte ich einem Werwolf entkommen? Er würde mich zerfetzen und danach auch Jezebel, die mit schockgeweiteten Augen auf das Monster sah, dass an meinem Bein zerrte. Ich spürte wie der Schmerz die Ohnmacht über meine Gedanken einbrechen lassen wollte. Vergeblich wollte ich diese zurück drängen, genauso wie ich vergeblich gegen den Wolf ankämpfte, damit er von mir ab ließ. Aber es funktionierte nicht, da er auch eine große Vorderpfote, besetzt mit scharfen Klauen, auf meinen Brustkorb stellte und mich so noch mehr zu Boden drückte.

 

Ich wünschte, ich könnte Jezebel noch sagen, dass …

 

Meine Gedanken wurden unterbrochen, genauso wie der Werwolf mit seinem Angriff unterbrochen wurde, als er erschüttert wurde, weil etwas heftig gegen seine Flanke flog und ihn von mir runter riss. Nur mühsam behielt ich mein Bewusstsein und Jezebel kam ängstlich zu mir gekrochen. Es beruhigte mich, dass sie bei mir war. Somit wusste ich, dass wir wenigstens gemeinsam zu Grunde gingen, anstatt allein und einsam. Was ich allerdings sah, verwirrte mich zutiefst. Etwas weißes, so groß wie der andere Wolf und mir wurde klar, dass es ein zweiter Wolf war. Werwolf. Aber wieso griff er den Dunkelbraunen an? Ich verstand es nicht. Stritten sie sich jetzt um die Beute? Zu diesem absurden Bild gesellte sich ein Mann im ledernen Mantel, ein Hut auf dem Kopf und mit grimmigen Gesicht und einem Schwert in der Hand, das silbern im Mondlicht glänzte. Ein Jäger? Das war mein erster Gedanke, der gleichzeitig hoffte. Denn Jäger waren dafür da, dass sie die Bestien jagten und beseitigten. Er würde uns helfen und genau das tat er auch, als er sich auf die Wölfe stürzte. Doch der weiße Wolf blieb verschont, während der Dunkelbraune eine fürchterliche Wunde abbekam, weil er nicht rechtzeitig ausweichen konnte. Was danach noch alles passierte, verschwand unter einem Schleier der Ohnmacht. Ich bekam später nur noch mit, wie man mich anhob, die leise ängstliche Stimme von Jezebel, aber deren Worte ich nicht verstand und ein: „Wahrscheinlich wird er zum Werwolf.“ Wen meinte er? Mich? Das konnte nicht sein und gleichzeitig wusste ich, dass er recht damit hatte. Ich war gebissen wurden, mir stand ein Leben als wilder Werwolf bevor. Ein Leben als Bestie, das von den Menschen gehasst wurde. Wieso waren diese Barbarenräuber mit Werwölfen unterwegs gewesen? Wahrscheinlich würde ich nie darauf eine Antwort erhalten und meine Gedanken konnten sich darum auch nicht weiter kümmern, denn die dunkle Ohnmacht holte mich ein und ich sah nur noch Schwärze.