Niemals werde ich dich vergessen

Genre: Fanfiktion

 

Diese Kurzgeschichte ist eine Spin-Off Geschichte von Feurige Leidenschaft. Es handelt sich hier um ein vergangenes Ereignis eines Charakters: May Chikara. 

 

Das Kopieren bzw. Entwenden der Bilder wie auch Texte sind ohne ausdrückliche Erlaubnis von Alexia Drael nicht erlaubt.

 


Niemals werde ich dich vergessen

 

Es war ein wunderschöner Tag, um das Haus zu verlassen und das Wetter zu genießen. Genau deswegen hatte sie auch ihren Rucksack gepackt. Sie wollte nicht immer nur drinnen hocken, ganz besonders dann nicht, wenn draußen die warme Sonne schien und dazu einlud unter freiem Himmel ein Picknick zu veranstalten. Mit einem Lächeln sattelte May ihren Rucksack, in dem sie alles eingepackt hatte, was sie für besagtes Picknick benötigte. Die einzige Frage, die offen blieb, war jene, wo sie genau hingehen wollte. Zum Strand? Das wäre vielleicht keine so gute Idee, obwohl der Strand von Petrophia wirklich sehr schön war. Da allerdings Wochenende war, würden heute ganz sicher eine Menge Leute zum Strand gehen. May wollte lieber ihre Ruhe haben und nicht von Menschenmassen umgeben sein. Also lieber in die Berge gehen? Die Berge boten auch einen wunderbaren Ausblick, abhängig davon welche Ecke man aufsuchen würde und da May hier in dieser Stadt geboren war, kannte sie natürlich die besten Plätze. Das klang doch nach einem Plan! Doch schlussendlich würde sie es davon abhängig machen, was ihre Freundin dazu sagen würde. Strand oder Berge? 

May verließ ihr Elternhaus und machte sich sogleich auf den Weg durch die Stadt. Sie war nicht so groß wie die Hauptstadt Illumina City, aber auch in Petrophia konnte man sich schnell verlaufen, wenn man nicht aufpasste oder sich nicht auskannte. Abgesehen davon, dass ihre Heimatstadt wegen dem schönen Strand und der Nähe zum Meer bekannt war, war sie international auch für das Fossilienmuseum berühmt, wie das zugehörige Labor, welches immer wieder sensationelle Ergebnisse lieferte. May hatte daher schon frühzeitig Kontakt mit versteinerten Pokémon aus der Urzeit gemacht und war dadurch sehr neugierig geworden. Ihr war sogar der Gedanke gekommen, später, wenn sie älter war, eine Forscherin zu werden, die Fossilie entdeckte und sie wieder zum Leben erweckte. Denn interessieren würde sie das schon, wie das eigentlich möglich war. Für sie klang das alles sehr spannend! Aber noch war es nicht soweit, denn mit ihren dreizehn Jahren musste sie noch immer in der Schule hocken und büffeln, damit sie ihren Abschluss machen konnte. Allein dieser Gedanke brachte sie zum Seufzen. Die Schule konnte manchmal echt ätzend sein, weswegen sie auch froh war, dass sie an diesem Wochenende keine Aufgaben zu erledigen hatte. 

Mit eiligen Schritten lief May weiter. Sie wohnte im östlichen Teil der Stadt, ihre Freundin auf der anderen Seite im Westen. Den Weg bis dorthin war sie schon unzählige Male gegangen. Dabei musste sie unter anderem auch am Supermarkt und am Pokémon-Center vorbei laufen. Kurz überlegte sie, ob sie im Markt noch ein paar zusätzliche Snacks für sich und ihre Freundin kaufen sollte, doch dann entschied sie sich dagegen. Sie hatte genug eingepackt, unter anderem einen total leckeren Schokoladenkuchen, den sie extra gestern gebacken hatte! Allein darauf freute sie sich schon wahnsinnig und beeilte sich nur noch mehr. Viele Menschen waren auf der Straße, genossen das gute Wetter, fuhren Rad oder machten wer weiß was für Dinge. May konnte auch ein kurzes Gespräch aufschnappen, als sie an einer kleinen Gruppe von Trainern vorbei kam. Sie unterhielten sich darüber, ob einer von ihnen heute den Arenaleiter von Relievera City herausfordern sollte, sofern sie die Möglichkeit dazu bekommen würden. Arenaleiter waren echt vielbeschäftigte Personen. Nicht nur, dass sie viele Herausforderer besaßen. Nein, sie wurden oftmals auch von der Öffentlichkeit gerufen, wenn es Probleme mit Pokémon gab oder allgemein irgendwelche Probleme auftauchten, wo ein Arenaleiter helfen konnte. Dieser Beruf war sehr zeitintensiv, davon hatte May auch schon gehört. Sie selbst hatte noch kein eigenes Pokémon, um es zu trainieren, wollte es aber gern. Ob sie später die Möglichkeit bekam auch gegen einen Leiter zu kämpfen? Das wäre sicherlich aufregend! 

»Nanu?« Instinktiv war May stehen geblieben und beobachtete die Gruppe an Trainern weiter. Sie wusste nicht warum, denn es ging sie nichts an, aber aus irgendeinem Grund weckten diese ihr Interesse. Dabei wollte sie eigentlich zu ihrer Freundin! Drei ältere Jungen diskutierten immer noch darüber, ob sie es wagen sollten oder nicht. Einer von ihnen hatte sogar sein Bisaknosp, ein Pflanzen-Pokémon, aus dem Ball gelassen, um es den anderen zu präsentieren, wie stark es war. Vermutlich war das der Grund, warum May stehen geblieben war und zu ihnen rüber sah, weil sie so ein Pokémon noch nie live gesehen hatte. Nur im Fernseher, wenn mal wieder Turniere live übertragen wurden. Das kam nicht selten vor! 

»Mein Bisaknosp ist stark genug, um den Arenaleiter fertig zu machen!«, meinte der eine Kerl mit den dunklen Haaren und der kurzen blauen Hose wie dem hellen T-Shirt, was er trug.

»Er hat keine Chance!«, fügte er noch hinzu. Die anderen bestätigten ihn und feuerten ihn an. Nur das kleinere Mädchen, was bei ihnen stand, schien darüber sehr skeptisch zu sein.

»Na, ich weiß ja nicht«, sagte sie und stemmte die Hände in die Hüfte. Sie war die Einzige, die selbstbewusst genug war, um dem anderen die echte Meinung zu sagen. May ahnte, was gleich passieren würde und so kam es auch. Der ältere Trainer pflaumte sie an, dass sie ihre Klappe nicht so weit aufreißen sollte, denn ihr mickriges Schiggy, welches sie besaß, hätte erst recht keine Chance.

»Verschwinde Zoé!«, rief er ihr noch nach, als er sich mit seinen Freunden in Bewegung setze und dabei herzhaft lachte. Über Zoé, die stärker sein wollte, als er. May kannte das Mädchen nicht und da diese selbst abzog, gab es keine Möglichkeit auf sie zuzugehen. Es war nur ein kurzes Intermezzo, was May von ihrem eigentlichen Ziel ablenkte.

»May, du dumme Nudel, du solltest dich um deinen eigenen Kram kümmern!« Trotzdem kam sie nicht drum herum an das Mädchen Zoé zu denken, die anders als sie selbst schwarze lange Haare besaß. May selbst hatte braunes Haar. Außerdem waren ihre Augen so grün, dass ihre Mutter sie gerne als leuchtende Smaragde bezeichnete. Daher trug sie heute einen weißen Rock mit einer passenden Bluse, was ihre Augen noch stärker betonte. Weswegen sie aber trotzdem an Zoé denken musste, lag daran, dass sie die Situation nur zu gut kannte. Zumindest eine ähnliche, bei der May selbst das Mädchen war, was von so doofen Jungen schikaniert wurde, weil man sie nicht richtig ernst nahm. Darüber ärgerte sie sich des Öfteren, zumal diese Jungen auch noch in ihrer Klasse waren. Um wieder auf positivere Gedanken zu kommen, konzentrierte sie sich endlich wieder auf ihr eigens Ziel, was sie in weniger als zwanzig Minuten auch erreichte. Sie stand vor der Haustüre von Maries Eltern. Marie war ihre beste Freundin, deswegen wollte sie mit ihr heute ein Picknick machen – ganz spontan. Leider wurde diese Spontanität enttäuscht, denn als Maries Mutter an die Tür kam, nachdem May geklingelt hatte, wurde ihr gesagt, dass jene keine Zeit heute hatte. Die Familie plante selbst heute einen Ausflug zu machen. Normalerweise wäre es kein Problem gewesen May einfach mitzunehmen, doch heute schien es ungünstig zu sein. Maries Mutter entschuldige sich höflich bei May und wünschte ihr noch einen wundervollen Tag ehe sie wieder das Haus betrat. May blieb enttäuscht zurück. 

»So ein Mist!« Sie hätte gestern Marie einfach schon fragen sollen, ob sie am Wochenende Zeit gehabt hätte. Aber die Idee mit dem Picknick war ihr erst kurz nach dem Aufstehen eingefallen. Was blieb ihr anderes übrig, als selbst los zu ziehen? Ob vielleicht jemand anderes Zeit hatte? May seufzte. Irgendwie war ihre gute Laune vergangen, dennoch wollte sie nicht zurück nach Hause gehen. Zum Strand wollte sie aber auch nicht, da waren ihr zu viele Leute. Daher ging sie wie schon einmal darüber nachgedacht auch in den Süden von Petrophia, wo unter anderem auch das Museum stand. Dieses wollte sie nicht besuchen gehen, dafür aber die Stadt im Süden verlassen. Dort gab es einen tollen abgelegenen Platz, bei dem man wunderbar auf das weite Meer blicken konnte. Genau diesen Platz wollte sie aufsuchen, auch wenn sie allein sein würde. Was soll's, dachte sie sich, kann ich meinen eigenen Gedanken nachhängen! Das war auch nicht schlecht. 

 

Etwa dreißig Minuten später hatte May die Stadt verlassen und war kurz davor ihren Lieblingsplatz zu erreichen. Bevor sie das allerdings tat, wollte man aber heute wohl unbedingt ihren Tag komplett versauen. Schon aus der Ferne erkannte sie drei Gestalten, die ihr immer näher kamen und als sie sich sicher war, dass es sich um niemand anderes als die drei Jungen aus ihrer Klasse handelte, die sie gerne ärgerten, machte sie sofort auf den Absatz kehrt.

Einfach schnell weg gehen, genau. Gar nicht beachten …

Wenn es doch nur so einfach wäre! Die drei Jungen hatten sie ebenfalls bemerkt und bemühten sich sehr schnell aufzuholen. May entkam ihnen nicht und war zu weit von der Stadt entfernt. Auch war sonst nirgendwo jemand anderes zu sehen, was ein echtes Problem werden konnte. Die Berge waren hoch und erstreckten sich in östlicher Richtung. Auf der westlichen Seite war das Meer in ein paar Kilometer zu erreichen. Obwohl das ihr derzeit gar nichts bringen würde.

»Hey May!«, rief Paul, den sie sofort erkannte. Er hatte zahlreiche Sommersprossen im Gesicht, ein dauerhaftes freches Grinsen auf den Lippen und struppige dunkelbraune Haare. Wie er waren auch die anderen in kurzen Sachen gekleidet, passend zum sonnigen Wetter. Neben Paul war da noch Mark, dem ständig die Brille von der Nase rutschte, weswegen er sie immer wieder nach oben schob. Trotz allem konnte er genauso unverschämt sein wie Paul und Maxime. Die Drei waren in der Schule sowieso als Raufbolde bekannt.

»Lasst mich in Ruhe!«, sagte May und wollte zur Stadt zurück, doch Maxime versperrte ihr den Weg, so dass sie stehen bleiben musste.

»Nicht so schnell, May. Wohin wolltest du denn?«, wollte er von ihr wissen und durchbohrte sie förmlich mit seinen braunen Augen.

»Das geht dich nichts an!« May nahm eine abwehrende Haltung ein, bereit dazu jeder Zeit loszustürmen. Sie war einen guten Kopf kleiner als die drei Jungen und natürlich auch schwächer. Außerdem besaß sie keine Pokémon, was zumindest bei Paul anders war. 

»Jetzt zick' mal hier nicht so rum!«, meldete sich Mark zu Wort und ehe sich May versah, riss er ihr den Rucksack von den Schultern.

»Hey, gib ihn mir zurück!«, sagte sie aufgebracht und wollte sich ihren Rucksack von Mark zurückholen, aber da trat Paul ihr in den Weg und schubste sie ohne Hemmungen zu Boden.

»Klappe, du dummes Miltank!«, maulte Paul sie an. May stiegen Tränen in die Augen, aber sie versuchte sie tapfer zurückzuhalten. Sie wollte sich nicht so unterkriegen lassen. 

»Na was haben wir denn hier?« Mark hatte bereits ihren Rucksack durchwühlt und den Schokoladenkuchen in der Plastikdose vorgefunden.

»Mhm lecker!« Die drei Jungen lachten und May rappelte sich wieder auf.

»Der ist nicht für euch! Gebt mir meine Sachen zurück!«, forderte sie und versuchte ihre Stimme so kräftig wie möglich klingen zu lassen, obwohl ihre Knie insgeheim zitterten. 

»Und wenn nicht, was dann? Verpetzt du uns dann?«, machten sie sich über sie lustig. May biss sich auf die Unterlippe. Sie hatte nichts gegen die drei in der Hand.

»Oh ich weiß, wie wäre es mit einem Deal?«, schlug Paul auf einmal vor und sein gehässiges Grinsen auf dem Gesicht ließ nichts Gutes erahnen. 

»In der Leuchthöhle soll es angeblich mysteriöse Steine geben. Wenn du uns einen bringst, bekommst du deine Sachen zurück. Na wie wäre das?«, schlug Paul vor und sah May abschätzig an.

»Aber … dort soll es gefährlich sein«, warf May ein.

»Ooooh, hast du etwa Angst, du kleines Rattfratz?«, verhöhnte Maxime sie. May dachte nach. Die Leuchthöhle lag ein ganzes Stück weg von Petrophia und die Höhle allein war dunkel und gefährlich. Zumindest sagte man das immer, genau wusste sie es nicht, weil sie nie dort gewesen war. Vorstellen konnte sie es sich trotzdem. Als Maxime, Paul und Mark auch noch begannen weiter über sie herzuziehen, sie als feige und schwach zu bezeichnen und ihr schon erklärten, wie sie ihren Kuchen ganz genüsslich verspeisen würden, fasste May einen Entschluss.

»Na schön, ich gehe! Aber meinen Rucksack und meinen Kuchen bekomme ich dann zurück!«

»Nur, wenn du uns einen mysteriösen Stein mitbringst!«, meinte Paul und grinste. May überlegte kurz, ob sie wirklich darauf eingehen sollte, aber sie wollte keinen Rückzieher machen. Daher schlug sie in Pauls ausgestreckte Hand ein, um diesen Deal zu besiegeln und machte sich danach auf den Weg zur Leuchthöhle.

 

Die ganze Zeit über fragte sich May, was eigentlich in sie gefahren war. Leuchthöhle! Dort konnte sonst was passieren! Außerdem war nicht einmal sicher, ob sie einen so mysteriösen Stein finden würde. Sie konnte sich vorstellen, wie die drei Jungen in diesem Moment sich über sie lustig machten und ihren Kuchen einfach aufaßen. Sie hätte doch einfach nach Hause gehen sollen! Sollte sie nicht besser umkehren? Noch hatte sie die Höhle nicht ganz erreicht und dass bisher auch kein wildes Pokémon aufgetaucht war, was sie vielleicht fressen wollte, erstaunte sie auch. Vermutlich waren Pokémon viel scheuer, als man es ihr sonst immer weis machen wollte. Sie seufzte.

»Ich bin eh gleich da, also kann ich auch weitergehen … « Doch als May direkt vor dem Höhleneingang ankam, der auch als solcher ausgewiesen war, weil hier auch immer wieder Forscher und Trainer herkamen, um Fossilien zu suchen oder einfach nur um zu trainieren, klapperten ihr bereits die Knie. Sie schluckte den Kloß in ihrem Hals herunter.

»Okay May, sei kein Feigling. Wenn ich es schaffe, dann lassen mich vielleicht die anderen endlich mal in Ruhe.« Schön wäre es, aber viel Hoffnung besaß sie nicht. Trotzdem wollte sie nicht klein beigeben und es den Blödmännern zeigen!

»Also gut!« Sie atmete noch einmal tief ein und betrat den Höhleneingang. Obwohl sie erwartet hatte, dass es drinnen dunkel sein würde, wurde sie eines Besseren belehrt. Warum hieß dieser Ort wohl Leuchthöhle, wenn nicht wegen des Lichts, welches hier schien? May hatte das nie so recht mitbekommen, was genau an der Leuchthöhle so besonders sein sollte, doch als sie mit eigenen Augen die Kristalle an der Decke, am Boden und auch an den Wänden sehen konnte, verstand sie langsam. Die Kristalle, die sich hier gebildet hatten, sorgten dafür, dass das Licht gespiegelt und weiter geleitet wurde und so wurde die Höhle erleuchtet. Teilweise war es nur ein diffuses Licht, manchmal aber auch viel heller, als sie es erwartet hätte. Zumindest das beruhigte sie ein wenig, weil sie nicht ganz im Dunklen tappen musste. 

Nach zehn Minuten in dieser Höhle hatte sie noch nichts gefunden. Abgesehen davon, dass manchmal ein paar Fleknoil über ihren Kopf hinweg flatterten, fand sie auch keine Pokémon, die ihr gefährlich wurden. Diese versteckten sich bestimmt irgendwo und vielleicht würde sie von ihnen verschont bleiben. Das gab ihr Hoffnung das alles unbeschadet zu überstehen. Trotzdem fühlte sie sich hier nicht wohl. Sie war allein, irrte in dieser Höhle umher und wusste nicht einmal, ob sie fündig werden würde. Wie weit sollte sie in diesem Ort vordringen bis sie etwas fand oder sich entscheiden sollte umzukehren? 

»Vermutlich gibt es hier keine besonderen Steine«, mutmaßte sie und ärgerte sich selbst darüber, dass sie sich so herum schubsen ließ. Sie sollte wirklich nach Hause gehen und es dabei beruhen lassen! Gerade als sie sich umdrehte, um zurückzugehen, hörte sie ein dumpfes, vibrierendes Geräusch. War das ein Knurren? Ein Brüllen? Sie war sich nicht sicher und konnte es auch so nicht genau zuordnen. Dafür jedoch begann ihr Herz wild in ihrer Brust zu schlagen, ihre Knie zu zittern und ihre Atmung sich zu beschleunigen. Sie hatte Angst. 

»Okay, nicht die Nerven verlieren, May, das war nichts und wenn doch … war es zu weit weg. Richtig? Ja genau … «, versuchte sie sich selbst zu beruhigen, sah sich um und entdeckte nichts. Gut, einfach weiter gehen, sich gar nicht aufhalten lassen. Das war ihr Plan, der leider nicht umgesetzt wurde. Denn nur nach wenigen Schritten hörte sie wieder dieses seltsame Geräusch und erschrak sich vor einem dunklen Schatten, der sich an einer Wand weiter vor ihr abzeichnete. Er war so riesig und zeigte ein Maul mit messerscharfen Zähnen. Sie wusste nicht, welche Pokémon hier in der Höhle lebten, aber wenn die so groß wie der Schatten waren, dann würden sie sie mit einem Happen verschlungen werden können. Was blieb ihr anderes übrig? Natürlich nur die Flucht! Sie dachte gar nicht lange darüber nach und nahm die Beine in die Hand. Das tiefe Geräusch sorgte dafür, dass sie nur noch schneller lief, aber weit kam sie nicht. Sie prallte gegen etwas und schrie wie am Spieß auf, schlug mit den Händen nach dem, was sie aufgehalten hatte, vor allem weil es nach ihr griff und sie festhielt. Sie schrie immer noch, ihr Herz raste und sprang ihr gleich aus dem Brustkorb, ihre Augen waren fest zusammen gekniffen, damit sie das Monster vor sich nicht sehen musste. Sie hatte Todesangst!

»May! May, hör auf zu schreien! May, ich bin es! May!?«, hörte sie eine Stimme. Es dauerte, bis ihr Gehirn diese Information verarbeitet hatte und sie begriff, dass kein Monster vor ihr stand. Es war ein Mensch und sogar einer, den sie kannte. Sie riss die Augen auf und sah in die blauen Seelenspiegel ihres Gegenübers.

»J-Joe?« Sie konnte kaum glauben, dass er hier war! Auch Joe war ein Mitschüler aus ihrer Klasse, aber anders als Maxime, Paul und Mark war er wenigstens nicht so blöd und ärgerte sie auch nicht. 

»Was machst du hier?«, wollte sie von ihm wissen. Mittlerweile hatte er sie los gelassen. Das Monster, welches sie vorhin gesehen hatte, war ganz vergessen.

»Ich bin dir hinterher gelaufen, weil ich dich mit den anderen dreien gesehen hatte und mir schon denken konnte, dass das zu nichts Gutes führen kann. Was willst du denn hier? Ganz allein in der Höhle ist es zu gefährlich!«, erklärte er und legte den Kopf zur Seite. 

»Ich äh … «, begann May und errötete. Er machte sich also Sorgen um sie? Oder verstand sie das falsch? 

»Die anderen haben mir meine Sachen weggenommen und … wenn ich sie wieder haben will, muss ich ihnen einen mysteriösen Stein aus dieser Höhle bringen«, gab sie kleinlaut zu. Es war lächerlich sich so herum schubsen zu lassen, aber nach wie vor hatte sie nicht viele Möglichkeiten. Sie hörte Joe seufzen und sah vorsichtig wieder auf, weil sie bis eben noch auf ihre Füße gestarrt hatte. 

»Okay, weißt du was? Ich helfe dir einen Stein zu finden. Vorausgesetzt hier gibt es welche und danach kümmere ich mich um die drei«, sagte Joe und May bekam ganz große Augen.

»W-wie meinst du das? Du … kümmerst dich?«, fragte sie nach.

»Damit sie dich endlich in Ruhe lassen«, antwortete er ihr prompt. Mays Gesichtsfarbe wurde noch roter, falls das überhaupt möglich war. So rot wie die Haut eines Glumandas in etwa. 

»Wirklich?« Sie konnte es kaum glauben! Von Joe wusste sie, dass er von den anderen aus der Klasse sehr respektiert wurde, was unter anderem daran lag, dass er selbst bereits Pokémon hatte. Pokémon machten nun mal einem beliebt. So war das schon immer gewesen, aber nicht deswegen mochte May ihn so sehr.

»Das ist … das ist wirklich nett. Danke!«, sagte sie und war überglücklich, auch wenn sie das nach außen hin nicht so zeigte, wie sie es gerne tun würde. Ihm jetzt um den Hals zu fallen, wäre bestimmt etwas zu viel des Guten und sie wollte nicht, dass Joe sein Angebot zurück zog, nur weil er sie dann als nervig empfand oder so etwas. 

»Kein Problem, dann lass uns mal weiter gehen«, sagte er und Mays Herz schlug wieder eine Spur schneller. Diesmal nicht vor Angst vor bösen Ungeheuern. Gerade als sie weiter gingen, erinnerte sich May an das Monster von vorhin, deren Schatten sie gesehen hatte und als wäre das nicht genug, gab es kurz darauf ein tiefes Knurren, welches durch die Höhle vibrierte.

»Oh nein, was war das?«, wollte sie wissen. Nicht nur sie, sondern auch Joe war in Alarmbereitschaft und sehr achtsam. 

»Irgendein Pokémon, schätze ich.« Was könnte es auch sonst gewesen sein? May bekam es wieder mit der Angst zu tun, andererseits war es aber auch sehr beruhigend, dass Joe an ihrer Seite war. Das half ihr nicht komplett die Nerven zu verlieren.

»Ich glaube, es kam von dort drüben.« Er zeigte in eine Richtung, nämlich genau die, aus der May vorhin gekommen war.

»D-du willst doch nicht etwa dort hin?«, wollte sie von ihm wissen, aber dadurch, dass er bereits in diese Richtung ging, hatte sie bereits eine Antwort auf ihre Frage.

»Joe?« Ihr gefiel das ganz und gar nicht, nur zurückbleiben wollte sie auch nicht, weswegen sie ihm folgte. Am liebsten hätte sie sich an ihn geklammert, aber das traute sie sich dann doch nicht. Als sie beide bis ans Ende des Höhlenganges kamen, in dem sie sich befanden, lugte Joe vorsichtig um die Ecke.

»Das ist … !«, sagte er, ohne seinen Satz zu vollenden. May hatte zwar Angst, war allerdings so neugierig, dass sie es ihm gleich tat und ebenfalls um die Ecke sah. Als sie das tat, konnte sie ein großes Pokémon erkennen. Es hatte eine dunkelgraue Haut, was mehr wie ein steinerner Panzer aussah. Auf seiner Nase befand sich ein langes spitzes Horn und es lief auf seinen Hinterbeinen. Gerade stieß es einen markerschütternden Schrei aus, der so tief und bedrohlich klang, dass sich May endlich erklären konnte, woher sie die anderen Geräusche gehört hatte. 

»Was ist das?«, wollte sie verängstigt von Joe wissen.

»Ein Rizeros!«, sagte er. Er kannte sich aus und hatte bereits seinen Pokéball aus seiner Hosentasche hervor geholt.

»Moment mal, was hast du denn vor?«, fragte May erschrocken, als sie sah wie er bereits um die Ecke huschte, um sich dem Rizeros zu nähern. Dieses Pokémon sah so gefährlich und stark aus, dass May lieber fliehen wollte. Warum suchte Joe jetzt den Kampf? Denn er warf seinen Ball und rief sein Pokémon hervor. Heraus kam ein blaues Amphizel, was allein durch seinen Typ schon im Vorteil gegenüber dem Rizeros war. Dennoch war May weit davon entfernt sich zu beruhigen oder sicher zu fühlen. Sie hatte Angst vor dem Rizeros, Angst davor, dass Joe oder sein Pokémon verletzt werden konnte und natürlich hatte sie auch Angst um sich selbst. Sie sollten nicht hier sein und lieber die Höhle verlassen, doch dazu war es nun zu spät. 

Ein anderes Geräusch weckte Mays Aufmerksamkeit, so dass sie von den Pokémon, die miteinander zu kämpfen begannen, weg sah und noch etwas anderes entdeckte. Ein paar Meter weit von ihr entfernt, lag auf dem Boden ein weiteres Wesen, was sie zuvor niemals gesehen hatte. Doch sie konnte sofort erkennen, dass es verletzt war und es ihm schwer fiel sich aufzurichten. Es gab einen jämmerlichen Laut voller Schmerz von sich und brach wieder zusammen. May hatte sofort Mitleid und ging zum verletzten Pokémon, blieb aber auf halber Strecke stehen. 

»Was ist das?«, stellte sie sich die Frage, ohne eine Antwort zu haben. Sie war nicht sicher, was sie da sah, aber langsam wurde ihr bewusst, welchen Schatten sie vorhin an der Wand gesehen hatte. Konnte denn das wirklich sein? Wenn sie ehrlich war, war sie auch bei diesem Anblick verängstigt, bis ihr aufging, dass der Kiefer mit den scharfen Zähnen gar nicht das Einzige an dem Pokémon war. Der Kiefer war nur so groß, dass er fast den Rest des Körpers verdeckt hatte, der darunter lag. May wusste nicht, dass es sich um ein Flunkifer handelte, noch dazu um ein sehr junges Exemplar. Auf den ersten Blick konnte man sich wirklich vor diesem erschrecken, aber wenn man den Kiefer mal außer Acht ließ, war es gar nicht so furchteinflößend. Im Gegenteil! May lief zu dem Pokémon und kniete sich neben ihn hin. Konnte es sein, dass es durch Rizeros so sehr verletzt worden war? Sie sah Blut auf dem steinernen Boden und auch auf dem Pokémon selbst. Auch aus dem Kiefer tropfte etwas Blut. Offenbar hatte es mit dem Rizeros gekämpft, zumindest glaubte das May. Außerdem wurde May noch etwas anderes klar. Joe hatte vermutlich das verletzte Pokémon schon vor ihr gesehen, weswegen er nun mit seinem Amphizel gegen Rizeros vorging und es bekämpfte. May drehte den Kopf, um zu ihnen hinüber zu sehen und musste mit ansehen, wie Amphizel gerade Wasser spuckte. Eine Aquaknarre, die Rizeros direkt traf, jedoch noch nicht besiegte. Das Wasser-Pokémon wurde kurz darauf von dem Gegner gegen die Wand geschleudert, was May wieder verängstigte. Sie mussten hier raus und zwar schnell! Glücklicherweise rappelte sich Amphizel wieder auf, so dass es noch weiter kämpfen konnte.

»Okay, dann will ich mal … « May sah wieder das verletzte Pokémon an und berührte es vorsichtig. Sofort gab es einen gequälten Laut von sich und wollte sich wehren, aber es besaß keine Kraft mehr. Es tat ihr so leid, dieses Pokémon so leiden zu sehen, aber hier konnte sie nichts für es tun. Sie musste es mitnehmen, um außerhalb der Höhle es zu versorgen! 

»Bitte bleib ganz ruhig, ich will dir nur helfen«, sagte sie mit ruhiger Stimme. Sie wusste, dass das Pokémon sie nicht verstehen konnte, aber vielleicht erkannte es an ihrer Stimmlage, dass sie ihm nichts tun wollte?

»Schon gut, alles wird wieder gut«, redete sie weiter, als sie begann die Arme um das Pokémon zu legen. Auch jetzt versuchte es sich wieder zu wehren und strampelte mit seinen Gliedmaßen. Der Kiefer krachte und knirschte schallend, sei es nun eine Warnung an May oder vielleicht sogar ein Versuch sie damit zu beißen. Besser war, wenn May nicht dazwischen geriet, denn so wie es aussah, war der Kiefer steinhart. Oder sollte sie stahlhart sagen? 

»MAY! PASS AUF!«, hörte sie Joe rufen. Kurz darauf krachten mehrere Felsbrocken in ihrer Nähe an die Wand und auf dem Boden. Instinktiv warf sich May über das verletzte Pokémon, um es zu schützen, obwohl sie sich dabei nur selbst in Gefahr brachte. Wie durch ein kleines Wunder bekam sie nicht viel ab. Ein paar kleine Brocken fielen auf ihr, aber die waren nicht groß genug, um ihr ernsthaften Schaden zuzufügen. Noch einmal Glück gehabt!

»Alles in Ordnung?«, wollte Joe von ihr wissen, der viel weiter weg stand und sich auch gleichzeitig dem Kampf wieder widmete.

»Thiek! Setz Aquaknarre ein!« Noch einmal befahl er diese Attacke, weil sie am effektivsten gegen das Rizeros war, welches sich in Rage befand.

»Alles gut!«, rief May Joe zu, um ihm mitzuteilen, dass ihr nichts passiert war. 

»Lauf schon mal vor!«, wies er sie an zu flüchten. May gefiel das nicht. Er wollte doch nicht zurück bleiben? Aber etwas anderes konnte sie jetzt sowieso nicht tun und so hievte sie das verletzte Pokémon auf ihre Arme, was sie mit einem seltsam intensiven Blick betrachtete. 

»Uff, du bist schwerer als du aussiehst, obwohl du doch so klein bist.« Das Flunkifer war wirklich nicht sehr groß. Erst später sollte May erfahren, dass es noch ein sehr, sehr junges Pokémon war und vor allem um welche Art es sich handelte. Doch jetzt blieb May unwissend und lief mit dem Flunkifer auf ihren Armen los. Bevor sie um die Ecke bog, um in den Gang von vorhin weiter zu laufen, sah sie noch einmal zurück.

»Joe?« Würde er mitkommen? Er musste es! Doch als sie zu ihm sah, erkannte sie mit Schrecken wie wütend das Rizeros war. Es brüllte, schlug gegen die Wände um sich, stampfte mit seinen kräftigen Beinen auf und brachte dadurch die Erde zum Beben. Nicht nur das. May musste mit angsterfülltem Blick feststellen, dass der Boden unter ihnen Risse bekam, angefangen bei Rizeros. Da Joe und sein Amphizel sehr viel näher bei dem Boden- und Gesteins-Pokémon standen, traf es sie sehr schnell. Der Boden brach auf und verschluckte nicht nur Rizeros, welches im entstandenen Loch fiel, sondern auch Joe und Thiek. Wie tief es war, konnte May nicht erkennen, selbst wenn sie sich an den Rand des Abgrundes gestellt hätte. Es war zu dunkel und dadurch nicht erkennbar. May stand wie gelähmt da und konnte nicht glauben, von welchem schrecklichen Ereignis sie Zeuge wurde. Sie hörte Joe aufschreien, der fiel. Sie hörte Amphizel, das einen erschrockenen Ausruf von sich gab. Sie hörte Rizeros brüllen … Bis alles vorbei war. Bis die Schreie einfach in der Dunkelheit verebbten während noch weiterhin Gesteinsbrocken in die Tiefe stürzten. 

Das Pokémon in ihren Armen gab noch einen schmerzhaften, fast erstickten Laut von sich. Es verlor den Rest seiner Kraft und verlor das Bewusstsein. Das Blut, was aus seinen Wunden sickerte, lief auch über Mays Arme, die das nicht richtig wahrnahm. Ihre weißen Sachen wurden blutrot getränkt.

Joe ist … er … 

Sie starrte noch immer auf das Loch, was immer größer wurde. Der Bereich der Höhle, indem sie sich befand, drohte mehr und mehr einzustürzen. Wie May am Ende aus der Höhle kam, wie sie apathisch bis nach Petrophia lief, dabei das verletzte Flunkifer trug, wie sie ankam, man sie fand und sich um sie und das Pokémon kümmerte … All das wusste sie später nicht mehr. Sie starrte lange Zeit nur vor sich hin, verstört über das, was sie erlebt hatte. Was sie gesagt hatte, als man sie gefragt hatte, was passiert sei, konnte sie auch nicht mehr wiedergeben. Aber es musste genug gewesen sein, dass ein Suchtrupp zur Leuchthöhle aufgebrochen war, um Joe und sein Pokémon zu suchen. 

Der Schokoladenkuchen war völlig vergessen. 

 

Ein paar Tage später ging May in das Pokémon-Center, in dem das verletzte Flunkifer behandelt worden war. Seit dem Ereignis in der Leuchthöhle hatte sie nicht viel gesprochen gehabt. Auch ein Lächeln hatte sich seitdem nicht mehr auf ihren Lippen gebildet. Doch sie erinnerte sich an das verletzte Pokémon und wollte nach ihm sehen.

Als sie im Center ankam, wurde sie sofort von der Rezeptionistin erkannt. Ein sanftes Lächeln entstand bei dieser, was leider nicht dabei half Mays Lächeln zurückzubringen.

»Du möchtest bestimmt zu dem Flunkifer, nicht wahr?« Stumm nickte May. Man hatte sie bereits über es aufgeklärt gehabt. Die Dame vom Tresen führte May in das Zimmer, in dem sich das Flunkifer befand. Man hatte es ihm eine Box zugewiesen, die so gemütlich wie nur irgend möglich eingerichtet worden war. Es handelte sich dabei um nichts anderes als wie eine Art kleiner Stall, wo sich das Flunkifer erholen konnte. Mittlerweile ging es ihm auch schon wieder besser, auch wenn die Wunden, die es besaß, noch nicht alle komplett verheilt waren. Aber es war immerhin schon um einiges kräftiger, als zu dem Zeitpunkt, als May es in der Höhle gefunden hatte. Die Dame vom Pokémon-Center ließ May mit dem Flunkifer allein, da sie auch noch woanders gebraucht wurde.

Langsam schritt das Mädchen zu dem Pokémon, dass sich in die Decke gekuschelt hatte. Aber als es May heran kommen sah, blickte es auf und stand sogar auf.

»Hallo kleines Flunkifer«, begrüßte May das Pokémon leise. Rote Augen betrachteten sie neugierig. Auch jetzt noch hatte der Kiefer von Flunkifer etwas Furchteinflößendes, wäre da nicht der Rest des Körpers, der eigentlich sogar ganz niedlich aussah. Das Flunkifer war noch nicht so alt, weswegen es offenbar von dem Rizeros attackiert worden war. Möglicherweise war es seine Beute gewesen. Wäre Joe und May nicht zufällig aufgetaucht, gäbe es vielleicht dieses kleine Pokémon nicht mehr. Immer noch sah es mit seinen roten Augen sie an und kam näher heran, bis es die Wand der Box erreichte. Seine krallenförmigen Hände legte es an die Wand und blickte zu ihr auf. Es überraschte May wie zutraulich es zu sein schien. Deswegen entschloss sie sich dazu das Flunkifer aus der Box zu heben, denn ohne ihre Hilfe kam es dort nicht heraus. So hatte May es gleich auf den Armen. Das Flunkifer gab ein ihr bisher unbekanntes Geräusch von sich, bis es ihr langsam dämmerte, dass es Zufriedenheit bedeuten konnte. Denn das Pokémon lehnte sich gegen sie und schien ganz ruhig zu sein. Hatte es etwa Vertrauen zu ihr aufgebaut? May ging durch den Raum, um sich auf den Stuhl zu setzen, der auf der anderen Seite stand. Dadurch setzte sie das Flunkifer auf ihren eigenen Schoß. Der Kiefer war von ihr weg gedreht, so dass sie keine Angst haben musste davon gebissen zu werden. Aber Flunkifer wirkte auch nicht so, als ob es sie beißen wollte.

»Meine Eltern haben mir erlaubt dich zu behalten, wenn ich es will«, sagte May genauso leise wie vorhin und strich mit einer Hand über den Kopf des Flunkifers. Danach sogar kurz über den stählernen Kiefer. Es sah so aus, als mochte Flunkifer diese Art von Zuwendung. 

»Ich würde dich Aclasur nennen, kurz Aci. Was hältst du davon?« Das Flunkifer legte fragend den Kopf schief. Sicher verstand es sie nicht, aber das war nicht weiter tragisch. Ein kleines Lächeln entstand auf Mays Lippen, doch es erreichte nicht ihre Augen. Diese füllten sich mit Tränen, obwohl sie das nicht wollte. Sie hatte in den letzten Tagen genug geheult. Irgendwann sollte Schluss damit sein! Aber sie konnte nicht.

Zwar hatte sie jetzt ihr erstes Pokémon, doch zu welchem Preis? Man hatte ihr mitgeteilt, dass man Joe und sein Pokémon nicht gefunden hatte. Er war weg. Einfach so. Er würde nicht zurückkommen, obwohl man immer noch nach ihm suchte. Die Hoffnung war gering und mit jedem weiteren Tag, der verging, glaubte die Polizei und auch alle anderen, dass man ihn nicht mehr wiederfinden würde. Genauso wie das Rizeros verschwunden war.

Mays Tränen wurden zu einer wahren Flut und sie konnte den Schluchzer nicht länger zurückhalten. Sie weinte und konnte nicht aufhören. Verzweifelt hielt sie Aclasur ganz fest bei sich und schwor sich innerlich sich so gut sie konnte um es zu kümmern. Denn Joe hatte es gerettet! Sie würde nicht zulassen, dass Aci wieder in eine so schreckliche Situation kommen würde. Sie würde die Kleine beschützen, sie trainieren und gut für sie sorgen. Das war ein Versprechen, welches sie niemals brechen würde!

Niemals werde ich dich vergessen.