Sturmwind

Genre: Abenteuer, Piraten

 

Liebe Leserinnen und Leser,

 

ich präsentiere euch mit Sturmwind meine Piratenmannschaft, die schon seit mehreren Jahren zu mir gehört. Es war schön, Shira und ihre Crew einfach mal wieder ausschreiben zu können, denn diese kleine Kurzgeschichte ist für einen Wettbewerb entstanden. Die Wortbegrenzung von 1500 Wörtern ließ leider nicht zu, dass ich mehr dazu schreiben konnte. Vielleicht wird der ein oder andere enttäuscht sein, dass er nicht weiterlesen kann. Vielleicht macht es den ein oder anderen aber auch neugierig auf mehr? Eines Tages wird es mehr geben, aber wann das sein wird, kann ich nicht sagen. 

Zu meiner eigenen Überraschung habe ich mit dieser kleinen Geschichte den Wettbewerb gewonnen, worüber ich mich natürlich unglaublich doll gefreut habe. :) 

 

Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß beim Lesen.

 

Liebe Grüße

Alexia Drael 

 

Das Kopieren bzw. Entwenden der Bilder wie auch Texte sind ohne ausdrückliche Erlaubnis von Alexia Drael nicht erlaubt.

 


Sturmwind

 

Die Wolken zogen immer dichter zusammen und es würde nicht mehr lange dauern, bis der Sturm über sie hinwegfegte. Wäre die Lage ein wenig anders, hätten sie den Sturm sogar zu ihrem Vorteil genutzt, doch so wie es gerade aussah, würde es ihnen noch zum Nachteil gereichen.

„Käpt’n!“, schrie ihr erster Offizier gegen den Wind und deutete zurück zum Heck. Der Wind blies stark und sie musste ihren Dreieckshut gut festhalten, damit er nicht in die See flog. Dunkelbraune Strähnen lugten darunter hervor und fielen ihr immer wieder in die Augen. Sie würde, wenn sie das hier überstanden haben, Sam darum bitten, ihre Mähne zu kürzen. Sie nervte sie schon jetzt, obwohl sie kein besonders langes Haar trug.

Mit ihren blau-grünen Augen sah sie zurück und über ihre Mannschaft hinweg. Sie eilten, um Seile und Segel besser zu befestigen, doch unheimlicher war der Klang der Kanonenschüsse im Hintergrund. Männer schrien auf und einige von ihnen deuteten auf die anfliegenden Kugeln.

„Achtung!“, schrie jemand. Die Erschütterung folgte nur wenige Sekunden danach, als die See noch mehr aufgewühlt wurde, als die Kanonenkugel nur knapp neben dem Steuerbord im Meer eintauchte. Knapp vorbei am Rumpf, aber durchgeschüttelt wurden sie trotzdem alle. Shira griff nach dem Steuerrad, einerseits sich festhaltend, andererseits versuchend das Schiff wegzudrehen.

Wenn sie dem Marineschiff nicht entkamen, wäre das hier ihr letztes Abenteuer. Dazu durfte es nicht kommen! Sie war nicht ohne Grund Käpt’n dieser Mannschaft! Frauen an der Spitze sah man nur selten und bei allen Ozeanen, es hatte verflucht viel Anstrengungen gekostet, diese Bastarde auf ihre Seite zu ziehen! Sie würde keineswegs zulassen, ihre Mannschaft zu verlieren, geschweige denn ihr eigenes Leben!

„Marios, übernimm das Steuer“, brüllte sie gegen den Wind an und wartete, dass der Riese zu ihr trat. Er war ein guter Mann, wenn auch sehr temperamentvoll. Man nannte ihn nicht ohne Grund „Streithahn Marios“. Wenn er einmal los legte, dann gab es keine heilen Knochen mehr. Besonders, wenn er sich gemeinsam mit Bruchfaust Cyndric ins Getümmel stürzte. Beide Männer besaßen in etwa die gleiche Körperstatur und -größe und beide waren sie streitlustig. Doch sie besaßen auch ihre Unterschiede, selbst wenn man das kaum glauben wollte.

Mit seinen riesigen Pranken griff Marios nach dem Steuerbord. Er war ein guter Steuermann, weswegen Shira ihm völlig vertraute. Sie selbst eilte ihren anderen Männern zu Hilfe und befestigte eines der Hauptseile am Mast.

„Käpt’n, der Wind dreht“, rief ihr Smutje, der durch das ganze Gerüttel im Schiffsrumpf nach oben gescheucht worden war.

„Dammisch!“, war alles, was sie dazu zu sagen hatte. Wenn der Wind drehte, würde es schwieriger werden dem Marineschiff zu entkommen. Viel schlimmer noch: Sie würden an Fahrt verlieren und eingeholt werden. Was nun? Versuchen weiter zu fliehen oder sich dem scheinbar unausweichlichem Kampf stellen? Sie wusste, dass ihre Männer müde waren und ihr geliebtes Schiff schon einiges abbekommen hatte. Würden sie einen Kampf überleben? Andererseits … Wenn es sich nicht vermeiden ließ, dann sollten sie wenigstens mit einem großen Knall untergehen, aye?

„Hart Steuerbord“, brüllte sie Marios entgegen.

„Was?“ Ihr Smutje und einige andere Männer hinter ihr, schienen darüber entsetzt zu sein. Wenn sie das Schiff wendeten, würden sie dem Feind noch entgegen segeln! Konnten sie sich das leisten?

„Mach schon!“, geiferte Shira den Einwürfen zum Trotz, ihrem Steuermann entgegen. Dieser verzog seine Lippen zu einem grimmigen Lächeln und folgte ihrem Befehl. Wenn sein Käpt’n darauf aus war sich mit der Marine anzulegen, dann würde er der Letzte sein, der was dagegen sagen würde.

„Festhalten!“, brüllte er mit seiner tiefen Stimme und lachte gehässig auf. Auf dem Deck kullerten einige Männer umher. Shiras Smutje verlor dabei den Boden unter den Füßen, denn die Holzplanken waren wegen dem Meer rutschig. Er bekam den Mast nicht mehr zum Greifen und prallte gegen die andere Seite der Reling, wodurch ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde.

„Damian, alles gut?“, wollte Shira wissen, die sich Sorgen um den jungen Piraten machte, und trat auf ihn zu. Er war wie eine Art Bruder für sie in der Zeit geworden, die sie mit all den Bastarden hier verbracht hatte.

„Geht schon, Käpt’n“, stöhnte er und rieb sich über die Rippen. Offenbar hatte er Schmerzen, doch er biss die Zähne zusammen und rappelte sich wieder auf.

„Kanonen bereit machen“, bellte sie weitere Befehle. Da die Kanoniere schon vorhin unter Deck in Stellung gegangen waren, vertrödelten sie keine kostbare Zeit, um schussbereit zu sein.

„Sollen sie nur kommen“, knurrte Shira und blickte über das Meer zur Marine.

Aron der Schlächter, wie er auf dem Meer genannt wurde, verfolgte sie schon seit drei Tagen und drei Nächten. Shira wäre diese Hetzjagd niemals eingegangen, wenn sie nicht wüsste, wie gefährlich Aron war. Dieser Mann besaß nicht ohne Grund seinen Beinamen. Er würde keine Gnade gewähren. Mit keinem einzigen Piraten, besonders mit ihr nicht. Er hasste sie, so wie sie ihn hasste. Sie verbanden seit über zwei Jahren eine Feindschaft, die mit einer kleinen Lappalie in einer alten Schenke begonnen hatte. Während Aron der Meinung war, dass er alles bekommen konnte, was er wollte, demonstrierte Shira ihm, dass bei ihr nichts zu holen war. Es war irrsinnig sich so einem gefährlichen Mann zu widersetzen, doch schon immer war sie anders gewesen. Statt als sittsame kleine Ehefrau hinterm Herdfeuer zu stehen, suchte sie ihre grenzenlose Freiheit auf dem Meer. Nur zu gut erinnerte sie sich noch an die Anfangszeit, als sie eine Mannschaft gesucht hatte, mit der sie segeln konnte. Nicht als Mitglied, sondern als Kapitän eines Schiffes.

 

„Bereit machen!“, riss sich Shira selbst aus ihren Gedanken und ließ die Kanoniere feuern. Die ersten Schüsse knallten durch die Luft und stoben das Meerwasser auf. Währenddessen nahm der Wind immer mehr zu, so dass es schwieriger wurde sich überhaupt auf den Beinen zu halten.

„Käpt’n, da kommt ein weit’res Schiff!“, rief Cyndric ihr zu, der an einem Seil nach unten rutschte. Bis gerade eben war er im Ausguck gewesen, doch allmählich wurde es da oben zu gefährlich. Außerdem wollte er sich den Spaß nicht entgehen lassen, sollten sie auf Tuchfühlung mit der feindlichen Marine gehen.

„Hast du die Flagge gesehen?“, wollte sie von ihm wissen, als der beinahe zwei Meter große Kerl neben ihr stehen blieb.

„Aye“, antwortete er ihr und grinste breit, so dass sie seine Zahnlücke bewundern konnte.

„Gut.“ Sie selbst musste lächeln, denn sie hatte seinen Blick richtig gedeutet. Sie wusste, welches Schiff da auf sie zu kam und drehte sich deshalb zu ihrer Mannschaft. Ihren Säbel zog sie dabei aus der Scheide und hielt ihn weit nach oben.

„Es ist soweit! Schluss mit der Flucht, Schluss mit der Jagd! Wir werden diesen verdammten Landratten zeigen, was ihnen blüht, wenn sie sich mit UNS anlegen!“ Sie musste gegen den Wind schreien, doch noch lauter war das Getose ihrer Männer, die dem Kampf entgegen fieberten. Egal wie müde sie waren, wie hungrig ihre Mägen knurrten, sie würden kämpfen. Dafür liebte sie jeden einzelnen von ihnen. Es war schwer gewesen, sie auf ihre Seite zu ziehen, doch gerade das und das vergangene Erlebte hatte sie alle zusammen geschweißt.

Weitere Kanonenschüsse waren zu hören. Holz ächzte und zerbrach in Tausende Splitter, die durch die Luft flogen. Die ersten Männer schrien vor Schmerzen auf und Shira wusste, auch Blut floss bereits in die tiefe See.

„Bereit machen zum Entern!“, rief sie, als nur noch wenige Meter zwischen ihrem und Arons Schiff waren. Die ersten Piraten schwangen sich an Seilen über die Reling zu der Marine, die sie willkommen hießen. Schreie wurden lauter, während der Wind um ihre Ohren pfiff. Klingen trafen aufeinander und schnitten tiefe Wunden ins Fleisch des Gegners.

Shira hielt sich selbst nicht zurück. Sie würde Aron entgegen treten müssen, damit dieser Spuk endlich ein Ende fand. Es wurde Zeit, dass der Schlächter selbst zur Schlachtbank geführt wurde. Kein weiterer Pirat sollte durch seine Hand mehr sterben!

Während sie sich auf das andere Marineschiff schwang, kam das dritte Schiff immer näher. Die schwarze Flagge mit dem Totenkopf war ein schlechtes Zeichen für die Hüter des Gesetzes. Für Shira war es die Rettung. Sie hätte sich nicht in den Kampf gestürzt, wenn sie nicht gewusst hätte, dass dort Tyron angesegelt kam. Ein Mann, der noch länger Pirat war als sie, obgleich er nur wenige Jahre älter war. Er war einer der wenigen Außenstehenden, der sie akzeptierte. Als Frau wie auch als Kapt’n einer Piratenmannschaft. Man konnte sagen, dass sie beide unabhängige Verbündete waren. Sie trafen sich hier und dort und segelten dennoch stets mit ihren eigenen Schiffen weiter - getrennt.

Mit einer Drehung wandte sich Shira um und blickte direkt in die stechenden Augen Arons. Es war soweit, der Kampf würde beginnen. Es würde sein Untergang werden, das schwor sie sich und hob die Arme mit dem Säbel und stürzte sich auf ihren Erzfeind.

„STIRB!“